Schützenadler
Die Schützengesellschaft Jena im Wandel der Zeiten

Schützenstände
… Schießstätten, die man über die Zeit benutzte …

Als Schützenstände wurden durch die Schützengesellschaft Jena im Verlauf ihrer Geschichte folgende Orte in der Stadt bzw. um sie herum genutzt: Mühltal, Johannisgraben, Leimgrube, Landfeste, Rasenmühle, Kochersgraben, Kieshügel:

Mühltal
Durch Spangenberg wird dieser Schießplatz ohne nähere Angaben zum genauen Ort und zum Zeitraum genannt. /JV/

Johannisgraben
Alte Stadtbefestigung zwischen Johannistor und Pulverturm, zu Übungszwecken vorwiegend mit der Armbrust (ver­glei­che Abb. 2).

Adrian Beier schreibt dazu in seinem "Architectus Jenensis": „… weiß ich […] von Büchsenschiessen nach der Scheibe, geschehen im Stadtgraben bey dem Johannisthor gegen den keulichten Thurme, und auf der Landfeste, …”
Und der Chronist Wiedeburg bemerkt zu diesem Schießplatz: „Der obere Johannisgraben hieß vor uralten Zeiten "der Schüt­zen­gra­ben", die­weil die Bürger daselbst ihre Schei­ben­schießen mit Büchsen und Arm­brüsten hiel­ten.” /11c/

Leimgrube (Lehmgrube, Tongrube, um 1668)
Hinter dem Fürstenkeller wurde vom fürstlichen Hof ein Schießhaus errichtet, auch eine Rennbahn war dort.

Landfeste (Landveste), Schützenplan (ab 1675 bis 1825) /JV/
Zwischen dem jetzigen Eisenbahndamm und der Saale, von der Camsdorfer Brücke stromaufwärts bis zum Wasser­wehr (Eis­re­chen­wehr, sie­he Abb. 1, Abb. 21, Abb. 23 und Abb. 3).

Dieses Gelände nutzte man im Mittelalter vielfältig, z.B. als Anlandeplatz für geflößtes Holz oder als Richt­platz für die Holz­bau­ten der Zim­mer­leute. Hier fanden auch fürst­liche Renn- und Schieß­höfe statt, z.B. 1490.

Bei der Brücke stand ein Schützen-Häuslein (verkauft im April 1827), woraus die Bürger sonntags nach der Vesper-Predigt nach der Scheibe schossen und sonst den Vogel von der Stange abzuschießen pflegten [vgl. Adrian Beier: Archi­tec­tus Je­nen­sis, 1681]. Dieser Schießplatz wurde bis 1825 regelmäßig benutzt. In der Folgezeit ist eine gelegentliche Nut­zung mit be­son­de­rer Geneh­migung nach­weisbar (sogar 1853). Die noch bestehende Schieß­mauer und ein abschlä­gig beschie­denes Gesuch zum dortigen Übungs- und Scheiben­schießen ist für 1860 akten­kundig. /9b/

Rasenmühle/ Rautenkranz (ab 1826 bis 1873)
Am Südende der durch die Saale und einem Mühlgraben gebildeten Insel befand sich die Rasen­mühle. Stadt­seitig am Sand­weg, "ge­gen­über" dieser Mühle, stand das Gesell­schafts­lokal der Schützen, der „Rautenkranz”.

Der im Jahr 1873 wegen der Errichtung der Saalbahn aufgegebene Schießstand erstreckte sich wahr­schein­lich pa­ral­lel zum Sand­weg mit Schuß­rich­tung West. Während der angemeldeten Schieß­tage war die Benutzung der Ver­bin­dungs­wege nach Lich­ten­hain poli­zei­lich unter­sagt – Ober-, Mittel- und Sand­weg /JZ/ - vgl. Abb. 3.4.

Außerdem wird angenommen, daß das Schießen anfänglich auch von der Rasenmühle aus in Richtung Süden über die Saa­le hin­weg er­folg­te, was wahr­schein­lich als Gaudium vom dama­ligen Mühlen­wirt organi­siert wurde.

Kein Schützenhaus (von 1874 bis 1878)
Die Saalbahntrasse durchschneidet ab 1874 die Verbindung der Rasenmühle zum Sandweg. Außerdem wurde der Verlauf der Kahlaischen Straße in die jetzige Lage verändert. Damit verlieren die Schützen ihr Vereins­haus, neues Domizil wird danach das Lokal "Zum Deut­schen Haus".

Die Schützen­gesell­schaft veranstaltet für sich in der Folgezeit jährliche Scheiben­schießen sowie heitere und vergnügte Sommer­feste, aber für ein Vogel­schießen fehlt der geeignete Platz.

Am Kochersgraben (von 1878 bis 1910, heutiger Straßenname)
In der Nähe des derzeitigen Platzes „Jenaplan” bzw. Friedrich-Engels-Straße (früher: Schützenstraße).

Der Schützen­gesell­schaft wird 1878 vom Guts­besitzer Trättner aus Ober-Camsdorf (Schneide­mühle) ein Stück Acker am Kochers­graben zur Nutzung über­lassen. Die Schützen errichten einen provi­sorischen Schieß­stand, bestehend aus einer Bretter­bude und einigen Scheiben­kästen als Kugel­fänge.

Es wurden 1879 das Anschießen und 1880 das Vogelschießen erstmals hier abgehalten. Bemerkenswert ist für diesen Ort, daß das Schützenhaus (Gast­stätte) und die Schieß­stände (Schieß­loge) räumlich durch einen Platz und den Stra­ßen­ver­lauf ge­trennt waren, Abb. 3.1, Abb. 7.1 und Abb. 9 verdeutlichen das.

Die zum Vogelschießen gehörigen Schützenfeste feierte man 1880 und 1881 noch im stadt­sei­tigen Para­dies, von 1882 bis 1909 auf dem gesellschaftseigenen Schützenplatz abgehalten (siehe Grundstücke 130 und 1504, verzeichnet in Abb. 7).

Die ungünstige Lage des neuen Schützenplatzes jenseits der Saale, die zur ständigen Benutzung der Fähre zwang, führte 1881/82 zum Pro­jekt der Erbau­ung einer eiser­nen Fuß­gänger-Brücke.

Zum Vogelschießen 1883 wird das Restau­rant „Zum Schützen­haus” eröff­net. Ein Jahr später erfolgte der Anbau einer ver­glasten Veranda.

Die Schützengesellschaft Jena beabsichtigte im Jahr 1907 unweit des bisher genutzten Schießstandes am Ko­chers­gra­ben ein neues Areal für die Schießanlage zu erschließen, das von den jetzigen Verläufen der Leo-Sachse-, der Kern­berg-, der Treu­nert- und der Neun­kirch­ner Straße eingerahmt wird.
Das sich über ein Jahr hinziehende Verfahren ergab schließlich, daß zuküftig weiter Kollisionen mit der sich aus­wei­ten­den Be­bau­ung auf dieser Seite des Saale­tales eintreten würden. Obwohl eine Genehmi­gung unter Auf­la­gen mög­lich ge­we­sen wäre, nahm die Schützen­gesell­schaft Jena deshalb von ihrem Vor­haben Abstand.
Die Flächen des auf­gege­benen Schieß­platzes nebst „Schieß­loge” verkaufte man als Bau­land. Auf dem unteren Teil an der Wöll­nitzer Straße wurde von 1912 bis 1914 die städtische Ober­real­schule erbaut (heute: Adolf-Reich­wein-Gym­na­sium - "ARO").

Das im Nov. 1883 festlich einge­weihte Restau­rant „Zum Schützen­haus” (siehe Abb. 8, Abb. 9 und Abb. 10) wurde 1913 ein­schließ­lich Schützen­platz der Stadt Jena zum Kauf angeboten und später für 61.000 Mark veräußert. /10a/ Allerdings wurde bis 1919 als Eigentümerin des Grundstückes mit dem Gebäude des Schützenhauses die Schützengesellschaft genannt. /AB/

Im Schützenhaus war in der Zeit des ersten Weltkrieges Militär untergebracht, außerdem diente es für Arbeits- und La­ger­zwecke. Ab Jan. 1923 wurde darin durch die Jenaer Not­stands­gemein­schaft eine Armenküche betrieben, die spä­ter in die Re­gie der Stadt Jena übergeht. Nach der Zu­sam­men­le­gung der beiden Jenaer Volks­kü­chen im Jahr 1934 stellt man die Ver­sor­gung im alten Schüt­zen­haus ein, da diese Ein­rich­tung immer weni­ger in An­spruch ge­nom­men wurde.

Der Vergleich von Luftbildern aus den Jahren 1943 und 1945 zeigt, daß das "alte Schützen­haus" bei den Bom­barde­ments auf Jena am 17. oder 19. März 1945 voll­stän­dig zer­stört wurde (siehe Abb. 45, Abb. 46 und Abb. 47).
Die ehemals bestandene Bebauung auf dieser Seite des „Jenaplan”, deren sich einige der äl­te­ren Je­nen­se­rIn­nen noch als „PGH Heinrich Hertz” erinnern (ursprüngliches Eigentum der Trättnerschen Erben), war zu keiner Zeit Bestandteil des Schützenhauses! – Siehe Abb. 7 und Abb. 7.1 – Sicher gibt das ehemals hier in der Schüt­zen­straße Nr. 3 bzw. 5 ge­le­ge­ne Lo­kal „Zur Schüt­zen­brücke” zu die­sem Irr­tum An­laß. Jetzt erhebt sich an die­ser Stelle der klot­zige Bau der Ar­beits­agen­tur.

Durch die fortschreitende Bebauung des Wenigenjenaer Ufers veränderten sich im Verlauf der Zeit sowohl der Straßen­na­me, als auch die Haus­num­mer des Schüt­zen­hauses (Gast­stätte):
bis 1904: Wöllnitzer Straße 34 (☎ 150, ab 1903: ☎ 402),
1905: Wöllnitzer Straße 32,
ab 1906: Schützenstraße 1.
 
Das gleiche gilt auch für die Schießloge (Schieß­haus):
bis 1904: Wöllnitzer Straße 37,
ab 1905: Obere Wöllnitzer Straße 1,
bis 1913: Abriß im Zuge des Neubaus der Oberrealschule.

Am Kieshügel (ab 1910)
Das „neue Schützenhaus” wurde von 1908 bis 1910 erbaut und im April ein­ge­weiht. Es fand 1911 als „Schüt­zen­schlöß­chen” Er­wäh­nung – /AB/ – siehe auch Abb. 14. Zu Beginn des ersten Welkrieges gab es in Jena eine Militär­vor­berei­tungs­anstalt, deren zweite Kompanie anfangs im Schützen­haus und die erste im Schützen­hof unter­gebracht waren - siehe Abb. 16 - diese Anstalt bestand bis Mitte 1915 und wurde danach in eine Unter­offizier­vorschule über­führt.

Nach der Enteignung der Schützengesellschaft (1945) betrachtete man das Haus als "herrenlos" und plünderte alle brennbaren Teile der Schießhalle, die dadurch abgerissen wurde. /TV/

Im Juni 1950 übernimmt das Volks­polizei-Kreis­amt Jena die treu­händer­ische Verwal­tung des Grund­stückes. Das macht die ur­sprüng­lich ge­dach­te Nut­zung durch die Ju­gend­heim GmbH hin­fällig. In der Folge­zeit betreibt die Polizei hier eine Hunde­station.

Das Schüt­zen­haus wurde nach Sept. 1953 um­ge­baut und bis 1990/91 von der Fried­rich-Schiller-Uni­versität als Stu­den­ten­un­ter­kunft ge­nutzt (sie­he Abb. 15). Dann stand das Haus leer und verfiel. In den Jahren 2003/2004 konnte das Land Thüringen als Ei­gen­tü­me­rin die Immo­bilie ver­äußern und ein In­ve­stor baute das Haus und die un­mit­tel­bar an­gren­zen­de Fläche des ehe­ma­li­gen Schieß­stan­des in eine Wohn­an­lage um.

1908: Grundstück über dem Jägerbergweg (Fußweg nach Rödigen),
1911: Straße 459 (☎ 401),
bis 1915: Dornburger Straße (ohne Haus-Nr.),
später: Am Kieshügel (ohne Haus-Nr., ab 1927: ☎ 2560),
seit 1931: Rödigenweg 41 (☎ 2560),
bis 1935: Rödigenweg 43 (☎ 3484),
bis 1950: Schützenhofstraße 43a,
bis 1991: Straße des 7. Oktober 43a,
jetzt: Closewitzer Straße 1a.

Das Vereinslokal (Gaststätte "Zum Schützenhof") entstand 1911 anstelle zweier alter Scheunen (siehe Abb. 11 und Abb. 12). Es wurde im Aug. 1941 an die Deut­sche Reichs­bahn ver­kauft und Ende der 1950er Jahre zum „Kulturhaus der Eisenbahner” umfirmiert (im Volksmund RAW genannt). Nach Auflösung des Reichsbahn-Aus­bes­serungs-Werkes gingen dann einige Immobilien des RAW an "Carl-Zeiß" (bzw. die gleich­namige Stiftung). Das Haus gestaltete man 1981 zum „Kultur­haus der Glas­arbei­ter” und 1984 zum „Kul­tur­haus Optik” um. Nach 1990 wurde es wie­der zur Gast­stät­te „Zum Schüt­zen­hof”. Das ist mitt­ler­wei­le auch Ge­schich­te, die Gast­stät­te hat man auf­ge­ge­ben, das Haus und das an­gren­zen­de Ge­län­de sind eben­falls Wohn­stät­ten ge­wor­den…

1911: Straße 459,
bis 1915: Dornburger Str. (ohne Haus-Nr./ 42, 1914: ☎ 199),
später: Am Kieshügel (ohne Haus-Nr.),
seit 1931: Rödigenweg 41 (☎ 2377),
bis 1935: Rödigenweg 43 (☎ 3484),
bis 1950: Schützenhofstraße 43,
bis 1991: Straße des 7. Oktober 43,
jetzt: Schützenhofstraße 43.

Anmerkungen: Durch die Eingemeindungen kamen natürlich weitere Schieß­stätten zu Jena, die aber nie von der Schützen­gesell­schaft benutzt wurden. Zu nennen sind hier vor allem Zwätzen, eingemeindet 1922, und Lobeda (1946). In Zwätzen nutzte der Schüt­zen­verein die Gegend im unteren Rosental und für die Schüt­zen­gesell­schaft Lobeda ist als Standort der Bürger­garten zu nennen (Spitz­berg­haus, obere Spitz­berg­straße).

Darüber hinaus gibt es den ehemaligen Militär­schieß­stand im Munketal (bis 1919 vom Infan­terie-Regi­ment Nr. 94 genutzt), der ab 1922 von den Jenaer Scharf­schützen wieder herge­richtet wurde - hier fand dann 1923 das 6. Mittel­thüringische Gau­schießen statt.
Die drei Schieß­bahnen befinden sich auf dem süd­lichen Berg­rücken, deren Verlauf noch deutlich zu sehen ist. Geht man das Munke­tal hinauf, ist ziem­lich weit oben plötz­lich links am Weg­rand ein großer unför­miger Beton­klotz zu sehen, der einer der Schieß­bahn­abschlüsse ist…

Die Deutsche Reichs­bahn hatte in der Zeit des dritten Reiches bewaff­nete Beamte und nutzte zum Übungs­schießen eine Anlage in Lich­ten­hain - jetzt durch das Zeiss-Werk 6/70 über­baut.

Als Jena im Jahr 1936 mit der Stationierung eines Artillerie- und eines Infanterie-Regiments wieder Gar­nison­stadt wurde, ent­stand im Norden ein neuer Militär­schieß­stand, der in sei­ner ur­sprüng­li­chen Aus­deh­nung west­lich des heu­tigen Anton-Bruckner-Weges noch er­hal­ten ist.


Quellen: /4a/, /9b/, /10a/, /11c/, /AB/, /JV/ - 31.12.1926, /JZ/, /TV/ - 31.01.1949

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Jena, den 26. Januar 1997 -