Schützenadler
Kalender der Schützengesellschaft Jena

Das Jahr 1922

3. Januar: (Di) Vogelschießen wie in der Friedenszeit soll in diesem Jahre auf dem Gelände der Schüt­zen­gesellschaft am Kieshügel stattfinden. Veranstalter ist diesmal die Schüt­zen­gesellschaft selbst, die nach früheren bewährten Grundsätzen die Regelung des Planes übernehmen wird. Wie verlautet wird die Durchführung der Einzelheiten einem Fachmann übertragen.
7. Januar: (Sa) Der liebe Kamerad der Schüt­zen­gesellschaft Jena, Bäckermeister Paul Venus, ist nach schwerem Leiden im Alter von nicht einmal 47 Jahren verstorben. Um ihm die letzte Ehre zu erweisen, treten seine Kameraden in Uniform zur Beisetzung am Dienstag (10.01.22) Nachmittag 1½ Uhr am Gasthof "Zum Schwan" an.
20. Januar: (Fr) Im Stadtausschuß wird der Antrag des neuen Schüt­zen­hofwirtes Otto Scheel auf Erteilung einer Schank­konzes­sion positiv beschieden.
30. Januar: (Mo) Auf den ehemaligen Militärschießständen im Munketale wird in absehbarer Zeit wieder neues Leben einziehen, das jedoch von keinem Drill beengt und beeinträchtigt wird. Die "Jenaer Scharf­schützengesellschft", die seit Jahren den Schieß­sport pflegt, gegenwärtig etwa 60 aktive Mitglieder hat und bisher in der Schüt­zen­loge am Kieshügel Gast­freund­schaft genoß, wird sich nunmehr selbständig machen. Die Gebäulichkeiten der idyllisch gelegenen Schießstände, wo die ehemaligen 94er ehedem manchen Patronenrahmen leerten, sind von den Scharf­schützen für den Preis von 5000 M vom Fiskus bereits käuflich erworben worden. Gegenwärtig schweben mit der Stadtgemeinde weitere Verhandlungen, um das Eigentumsrecht mindestens eines der drei vorhandenen Schießstände zu erwerben. Bevorzugt wird die obere Schießbahn, deren Scheibenstand dann zeitgemäß ausgebaut erden kann. Der künftige Grundstücksbesitzer ist entschlossen, später auch die Gebäude wieder gründlich auszubessern und sie anheimelnder auszugestalten.
11. Februar: (Sa) Der für diesen Sonnabend angesetzte Winterball der Jenaer Scharf­schützen (e.V.) wird auf unbestimmte Zeit verschoben.
20. Februar: (Mo) Auf Grund der Verordnung des Thüringischen Ministeriums des Innern vom 30. Januar sind sämtliche Militärwaffen, soweit sie sich in den Händen von Inhabern von Jagd- und Waffenscheinen befinden, innerhalb 14 Tagen im 2. Polizeirevier, Johannisplatz, abzuliefern - Gemeindeverwaltung Jena. /VZ/
28. Februar: (Di) Drei Aufnahmen vom Hochwasser und Eisgang sind als Postkarte in der Volksbuchhandlung am Teichgraben zu haben, darunter als zweites Motiv die Schützenbrücke mit Paradies. /VZ/
7. März: (Di) In der Gemeinderatssitzung wird die Verpachtung des Militärschießstandes im Munketal an die Jenaer Scharf­schützen behandelt.
8. März: (Mi) Die Jenaer Scharf­schützen feiern im "Nollendorfer Hof" ihr dies­jähriges Wintervergügen mit Ball und Gesangsvorträgen.
2. April: (So) Der liebe Kamerad und Klempnermeister Bernhard Wittich ist verstorben. Zur Beisetzungsfeier treten die Kameraden in Uniform am Mittwoch, den 5. April, nachmittags 2½ Uhr am Gasthof "Zum Schwan" an.
15. April: (Sa) Auf den Militär­schieß­ständen im Munketal wird wieder geschossen. Vor unbefugtem Betreten des Grundstücks wird gewarnt - Verein Jenaer Scharf­schützen.
9. Mai: (Di) Das nächste Jenaer Vogelschießen ist auf die Tage vom 1. bis 9. Juli festgesetzt worden. Nach langer Unterbrechung gedenkt die Schüt­zen­gesellschaft die Veranstaltung selbst wieder in die Hände zu nehmen, wodurch der Erfolg gewährleistet sein dürfte.
21. - 25. Mai: (So-Do) 22. Thü­ringer Bundes­schießen in Erfurt.
27. Mai: (Sa) Die General­ver­samm­lung des Thü­ringer Schüt­zen­bundes findet in Erfurt unter Leitung des Bundesvorsitzenden Oberhauptmanns Degenhardt (Erfurt) statt […] Das nächst­jährige Thü­ringer Bundes­schießen über­nimmt die Bürger­schützen­kompanie Mühl­hausen […]
30. Mai: (Di) Als die Schüt­zen­brücke am 13. Februar 1883 eingeweiht wurde, dachte wohl niemand daran, welch gewaltiger Verkehr einst über diesen Steg fluten würde […]
1. Juni: (Do) Das geplante Jenaer Vogelschießen steht auf wackligen Füßen. Wie es heißt, haben sich Schausteller in kaum nennenswerter Zahl gemeldet, sie bevorzugen fast alle die in der Zeit vom 1. bis 9. Juli in anderen thüringischen Städten in Aussicht genommenen Schüt­zen­feste. Unter diesen Umständen wird man wahrscheinlich auf das Vogelschießen verzichten.
5. Juni: (Mo) Am 2. Pfingstfeiertag im Schüt­zen­hof, ab 4 Uhr nachmittags volkstümliches Kammer-Konzert des Thü­ringer Waldhornquartetts, anschließend Tanzkränzchen.
9. Juni: (Fr) Von der Abhaltung eines Vogelschießens hat die Jenaer Schüt­zen­gesell­schaft nach reiflichen Erwägungen nunmehr endgültig Abstand genommen. Zu viele Schwierigkeiten sind zu überwinden, um einen guten Erfolg zu gewährleisten. Die Schüt­zen­gesell­schaft wird sich lediglich auf die Abhaltung eines Sommerfestes auf ihrem schöngelegenen Grundstück am Kieshügel beschränken, das unter der neuen Bewirtschaftung sich wieder guten Besuches aus allen Stadt- und Landkreisen erfreut.
1. Juli: (Sa) Bekanntmachung der Gemeindeverwaltung Jena zur Verordnung des Thü­ringer Ministeriums des Innern bezüglich der Abgabe von Schußwaffen.
10. Juli: (Mo) Das Geraer Schüt­zen­fest, das am 15. Juli beginnt und bis zum 23. dauert, dessen Abhaltung aber angesichts der gegenwärtigen politischen Verhältnisse in Frage gestellt war, findet nunmehr doch statt. Es ist aber jeder Umzug, sowie das übliche Scheibenschießen verboten worden. Die Gewehre müssen abgeliefert werden. Diese Maßnahmen sind getroffen worden, um Vorkommnisse wie in Zittau, wo den Schüt­zen von halbwüchsigen Burschen die Gewehre abgenommen und zertrümmert worden sind, zu vermeiden.
12. Juli: (Mi) Bekanntmachungen der Gemeindeverwaltung Jena: Waffenabgabe! Wegen ungenügender Abgabe von Schußwaffen hat das Ministerium des Innern am 5. Juli ds. Js. weitere Anordnung zur Ausführung der Ministerial-Verordnung vom 24. Juni 1922 getroffen […]
15. - 20. Juli: (Sa-Do) Fünftes Mittelthüringisches Gauschießen in Eckartsberga.
22. Juli: (Sa) Bekanntmachungen der Gemeindeverwaltung Jena: Waffenabgabe. Vom 23. bis einschließlich 30. ds. Mts. liegt in der Polizei-Hauptwache, Löbdergraben Nr. 28, die Liste der abgegebenen Waffen und Munition zur Einsicht für Jedermann öffentlich aus. Anzeigen über verheimlichte Waffen usw. werden von jeden Polizeibeamten, in den Polizeiwachen und im Stadthause entgegengenommen. Sofortige Untersuchung, ohne Namensnennung, wird gesichert.
24. Juli: (Mo) Beginn der Ausbesserung bzw. Erneuerung des Bohlenbelages der Schüt­zen­brücke. Dazu muß die Brücke gesperrt werden und Passanten haben die Fähre zu benutzen (eine Mark pro Überfahrt) oder den Weg über die Camsdorfer Brücke zu nehmen. Diese Arbeiten erfolgen aber in einer Weise, die allgemeinen Verdruß herbeiführt […]
25. Juli: (Di) Erfolglose Waffensuche in Jena: Eine Durchsuchung nach Waffen und Munition erfolgte durch ein großes Aufgebot auf dem Grundstück der Speditionsfirma H. Blüthner (Inhaber Otto Gold). An der mehr als einstündigen Durchsuchung sämtlicher Lager, Räume, Möbelwagen usw. beteiligten sich blaue, grüne und Polizeibeamte in Zivil. Die große Aktion, von zwei Mitgliedern der interalliierten Kommission überwacht, leitete Polizeiinspektor Schneider. Aber die ganze Sache verlief wie das Hornberger Schießen, es wurde nichts, aber auch gar nichts gefunden…
27. Juli: (Do) An der Schüt­zen­brücke spielen sich früh wunderliche Bilder ab. Obwohl die Brücke erst zu etwa einem Drittel mit neuen Bohlen versehen worden ist, wird der Verkehr mit Rücksicht auf die Arbeiter­massen zu Arbeits­beginn frei­gegeben […]
10. August: (Do) Im Gelände des ehemaligen Militärschießstandes am stillen Munketale sind durch unverdrossene Fronarbeit der Mitglieder der "Jenaer Scharf­schützen", die das Grundstück nebst Gebäudebestand käuflich erwarben, bemerkens­werte Verbesserungen geschaffen worden. Dem drohenden völligen Verfall der Anlagen wird ein Riegel vorgeschoben, alles wieder wohnlich und gebrauchsfähig gestaltet. Wenn den Scharf­schützen der Gebrauch ihrer Scheibenbüchsen wieder gestattet ist, aus bekannten Gründen mußten die Gewehrschlösser abgegeben werden, soll noch im Laufe dieses Monats der neue Schießstand in Gebrauch genommen werden. Gewisse Naturfreunde sollen rücksichtslos der Polizei übergeben werden.
13. - 20. Aug.: (So-So) Eisenberger Schüt­zen­fest in althergebrachter Weise.
3. + 4. Sep.: (So+Mo) Die Jenaer Scharf­schützen feiern im elften Jahr ihres Bestehens auf ihren Ständen der ehe­ma­ligen Militär­schieß­anlage im Munke­tal ihr Schüt­zen­fest, verbunden mit der Weihe des dem Verein gestif­teten Banners. Kürschner­meister Hugo Gabler wird Schüt­zen­könig, abends Feier im "Nollendorfer Hof".
3. - 8. Sep.: (So-Fr) 13. Deutsches Pistolen-Bundes­schie­ßens in Leipzig, gleich­zeitig Einweihungs­schießen.
7. Septbr.: (Do) Das Mitglied der Schüt­zen­gesellschaft, Waffenmeister Franz Bauer ist verstorben. Zur Bei­set­zungs­feier treten die Kameraden in Uniform am Sonnabend, den 9. September, nachmittags ¾2 Uhr am Gasthof zum "Schwan" an, Bestattung ist 2½ Uhr.
12. Septbr.: (Di) Die Gemeindeverwaltung Jena gibt bekannt, daß nach der Verordnung des Thü­ringer Staats­minis­teriums vom 23. August die seit 1919 abgelieferten Waffen den Eigentümern unter Bedingungen zurück gegeben werden: 1. die Jagdwaffen und Scheibenbüchsen gegen Freigabebescheinigung und Rückgabe des Abgabescheines, 2. alle übrigen Waffen gegen Rückgabe des Abgabe­scheines und Vor­legung eines gültigen Waffen­scheines, 3. schriftliche Anträge zu 1 und 2 werden bis 18. dieses Monats im Stadthaus entgegengenommen, wo auch auf Wunsch weitere Auskunft erteilt wird.
22. Oktober: (So) Abschießen des aus fünfzig aktiven Mitgliedern bestehenden Jenaer Scharf­schützen­vereins.
24. Oktober: (Di) Ein bewohnbares Gebäude wird gegenwärtig auf den ehemaligen Militärschießständen im Munketal geschaffen, die bekanntlich vom "Jenaer Scharfschützenverein" auf die Dauer von zehn Jahren gepachtet und zu einem Teil wieder gebrauchsfähig hergerichtet worden sind. Nach Fertigstellung einer geräumigen Schießhalle auf dem obersten 75-Meter-Schießstand wird aus dem verfallenen früheren Pferdestall, der Tischlerei und der Wache eine zusam­men­hängen­de Wohn­stät­te errich­tet, um das gesamte Gelände stets unter Aufsicht zu haben. Der Bau entsteht durch frei­willige Fron­arbeiten der Vereins­ange­hörigen.

Übrigens:

  • erließ die Stadt Jena im Januar eine Vergnügungssteuer-Satzung.
  • verstarb am 24. Juni Max Hunger im Alter von 70 Jahren, nicht nur für Schüt­zen von beson­derem Belang ist seine Samm­lung von Schüt­zen­fest-Plakaten.
  • wurden per 1. Oktober durch Verfügung des Thü­ringer Innen­ministeriums die Orte Ammer­bach, Burgau, Göschwitz, Kunitz, Lobeda, Löbstedt, Winzerla, Wöllnitz und Zwätzen nach Jena ein­ge­mein­det (siehe dazu auch "Übrigens" von 1924 und 1946).
  • wurde im Oktober der seit 1912 im Amt befindliche Ober­bürger­meister Dr. Fuchs nicht wieder gewählt, statt dessen bekam der bisherige Leiter des Tief­bau­amtes Dr.-Ing. Elsner das Ver­trauen.
  • wurde ebenfalls im Oktober der gesamte Betrieb der Jenaer Straßenbahn eingestellt - er ruhte bis Mai 1924.
  • überschritt im Herbst die Jenaer Einwohnerzahl die 50.000er Marke.

Quellen: /JV/ - 1922, /JZ/ - 1922, /VZ/ - 1922

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Jena, den 23. August 2004 -