Damit endet die Geschichte der "Priv. Schützengesellschaft Jena von 1304" … | |
Durch die große Zeitspanne zwischen der zwangsweisen Auflösung der Schützengesellschaft und dem Zeitpunkt, wo sich Leute die Frage stellten, „Was war denn früher bei den Schützen los?”, starben die damaligen Akteure aus und es verflüchtigten sich auch die letzten Erinnerungen bei deren Nachkommen. | |
Eine lückenlose Chronik der Schützengesellschaft existiert nicht. Die Arbeiten von C. Trebitz (Redivivus) /16/ und Gottlob Rodigast /2/ reichen nur bis 1884 bzw. 1904. Außer ein Paar Seiten Manuskript des Protokollführers Ewald Barthel /PB/ einer Geburtstagsliste /GL/ und einem Registerbuch der Mitgliederverwaltung aus den 1940er Jahren /MV/ gibt es kein weiteres Schriftgut aus den "Händen" der Schützen. | |
Der allgemeine Teil der "Historie" stützt sich auf Trebitz' und auf Rodigasts Büchlein. Einige Fehler bei der Zuordnung der Schützenkönige zu den Jahren konnten durch die Angaben aus der Tagespresse ausgemerzt werden. Hilfreich waren für die "mittelalterlichen" Zeiten auch die ersten beiden Bände des Jenaer Urkundenbuches /15a/15b/. | |
Für die Teile "Statuten" und "Schießordnung" konnte auf einen Fund der Schützen aus Weida zurückgegriffen werden. Auf einem Abfallberg entdeckte man nach 1990 nämlich eine Abschrift von Statuten mit anhängender Schießordnung, die sich aber als Originalfassung der Jenaer Dokumente entpuppte. | |
Ohne die im Jenaer Stadtarchiv und in der Universitätsbilbliothek vorhandenen Bände der örtlichen Tageszeitungen hätte das Projekt des
"Kalenders"
nicht erfolgreich sein können.
Zwar haben beide Einrichtungen durch kriegsbedingte Verluste keine lückenlosen Bestände mehr,
aber im Zusammenwirken konnten die Zeitungen Anfang der 1990er Jahre verfilmt werden und stehen dadurch in den Lesesälen freizügig zur Verfügung.
Die verfügbaren Bestände der Jenaischen Zeitung /JZ/ und ihre Vorgängerinnen /JA/pA/pB/BS/ umfassen 146 Bände (1797–1944[*]) in 166 Filmrollen. Das Jenaer Volksblatt /JV/ hat 52 Jahrgänge (1890–1941) in 108 Filmrollen. Gegenwärtig ist die Digitalisierung dieser Medien vom Original im vollen Gange – siehe Online-Ressource. | |
Eine andere Sache ist die Entwicklung des Sportschießens in der DDR … | |
An eine Neugründung von selbständigen Vereinen war in der "Ostzone" wegen der staatlichen Restriktionen nicht zu denken,
schon gar nicht im Bereich des Schießens.
Allerdings wurde die "vormilitärische Ausbildung" bereits früh zu einer staatlichen Aufgabe, weit vor der Schaffung von nationalen Streitkräften, was im August 1952 zur Gründung der "Gesellschaft für Sport und Technik" (GST) führte.
Sie bildete einen Dachverband für technische Sportarten wie Sportschießen, Motorsport, Marine- und Seesport, Tauchsport, Segel- und Motorfliegen, Funksport usw.
Die GST war dann für Jugendliche sogar die einzige Möglichkeit, eben diese Freizeitbeschäftigungen auszuüben.
Als Besonderheit sei hier am Rande erwähnt, daß die Ausbildung von "zivilen" Fahrlehrern in der DDR nur an zwei Stellen erfolgte, an einer Spezialschule beim Ministerium für Landwirtschaft und bei der GST. | |
Neben der GST gab es zwei weitere Organisationen die das Sportschießen betrieben, die Sportvereinigung "Dynamo" (Polizei, Feuerwehr, Stasi) und die Armeesportvereinigung "Vorwärts" (ASV, inklusive Grenztruppen). Anders als in der Bundesrepublik, wo sich die gewachsenen Strukturen aus Vereinen, den mittleren Ebenen und dem Dach, dem Deutschen Schützenbund, restaurieren konnten, fehlte in der DDR für eine weltweite Anerkennung und den Beitritt zu internationalen Verbänden die Fachorganisation. Um die drei den Schießsport betreibenden Organisationen unter einem Dach zu vereinen, gründete man im Oktober 1958 den "Deutschen Schützenverband der DDR" (DSV). Aus Unwissenheit oder Ignoranz wurde hier der gleiche Name gewählt, wie derjenigen Organisation, die die Nazis an die Stelle des Deutschen Schützenbundes gesetzt hatten. | |
Die Förderung von Sportarten, die zu internationalen Ehren, wie Weltmeistertiteln oder Olympiasiegen führten, wurde staatlich finanziert. Die GST und der DSV gehörten zwar nicht dem Deutschen Turn- und Sportbund (DTSB) an, waren aber für die olympische Sportart "Schießen" zuständig und damit in das olympische Programm der DDR eingebunden. Die breitensportlichen Veranstaltungen ermöglichten das Herausfiltern von jungen Talenten aus der großen Masse. In Trainingszentren der GST an einzelnen Standorten der Bezirke erfolgte dann eine gezielte Förderung und leider ein weiteres Aussieben. Das Training des Leistungssports konzentrierte sich in Berlin ("Dynamo" Hoppegarten), den zwei Klubs in Leipzig (GST, ASK "Vorwärts") und dem in Suhl (GST). Für eine breite schießsportliche Betätigung von Erwachsenen oder sogar Senioren war in diesem System kein Platz! | |
Als technische Basis der GST wurden in den Bezirken und Kreisen Ausbildungszentren geschaffen (BAZ, KAZ). An diesen Orten befand sich je nach den Schwerpunkten der technischen Sportarten die Infrastruktur z.B. für den Schießsport oder den Motorsport. Da die "alten", d.h. die früheren Schießstände nach dem Krieg zum großen Teil niedergelegt wurden und viele durch ihre Nähe zu den Wohnsiedlungen ohnehin nicht mehr genutzt werden konnten, entstanden in den KAZ und BAZ in den 1970er Jahren eine Reihe neuer Anlagen für das Schießen mit Kleinkaliber-Waffen. | |
Das Jenaer Sportschießen ab Mitte der 1970er Jahre … | |
Am Ort des jetzt noch betriebenen Schießstandes befand sich innerhalb des KAZ Jena ein Trainigszentrum der GST, das besonders die Pistolendisziplinen betrieb. Ab 1976 bildete sich dort auch eine starke Trainingsgruppe aus Studierenden der Uni Jena, deren Betätigungsfeld allerdings auf das Gewehrschießen beschränkt bleiben mußte. Das war dann auch kein Leistungssport im engeren Sinn, sondern eine Nische, wo das obere "Ende der Wettkampfleiter" neben den GST-Meisterschaften, die ostdeutschen Studentenmeisterschaften waren … | |
Aus dieser bis ins Wendejahr aktiven Gruppe, im Verbund mit Aktiven, Trainern und Kampfrichtern aus dem damaligen Stadtkreis Jena, gündete sich der erste Jenaer Schützenverein gemäß des im Februar 1990 in Ostdeutschland erlassenen Vereinsgesetzes. Das hier gezeigte ununterbrochene Wirken der Schützen erwies sich im weiteren Zeitverlauf als vorteilhaft, denn der Schießstand war in Bezug auf die ordnungsrechtlichen Vorschriften eine Altanlage, die erst einmal keiner neuen Zulassung bedurfte. Allerdings waren später umfangreiche Umbauten wegen der Lärmschutzauflagen notwendig. Ein zweiter Umstand begünstigte den neuen Schützenverein, weil noch vor 1990 die Schießanlage in die kommunale Sportstättenverwaltung der Stadt Jena überführt wurde, wodurch nach der Wiedervereinigung keine Verhandlungen mit der Treuhandanstalt erforderlich waren. | |
Die Nutzung der vorhandenen baulichen Infrastruktur, insbesondere der Waffenkammer, ermöglichte einen relativ großzügigen Erwerb von Sportgeräten durch den Verein von der Treuhand. Das war ein günstiger Startpunkt für die Vereinsarbeit, denn zu Anfang war niemand der Ortsansässigen privater Waffenbesitzer. | |
Mit der Gründung eines neuen Vereines enden diese Texte wirklich … | |
Der Jenaer Schützenverein "Erlkönig" wurde im Frühjahr 1990 noch nach DDR-Recht gegründet und ist unter der relativ niedrigen Nummer 10 (-zehn-) in das Vereinsregister der Stadt Jena eingetragen worden (die aktuelle Nummer im Register lautet jetzt 230010). | |
Gemäß Satzung bekennt sich der Jenaer Schützenverein "Erlkönig" e. V. zu den Traditionen der "Priv. Schützengesellschaft Jena von 1304". |
[ 1946 ]
[ Inhalt ]
|
Kritiken, Hinweise und Meinungen bitte per
eMail an den Autor
Jena, den 25. November 2018 -