Das Schützenfest der Jenaer Scharfschützen 1931
vom 8. bis 16. August 1931 auf dem Gries

28. Juli: Schützen- und Volksfest auf dem Gries. Es kann leicht eingewendet werden, daß in der gegen­wär­tigen schlechten Zeit sich sie Abhal­tung von Ver­an­stal­tungen wie Vergnügen, Volks­festen usw. verbiete. Die Jenaer Scharf­schützen haben ernstlich erwogen, ob sie ein Volks­fest abhalten sollen oder nicht und sind zu der Ueber­zeugung gekommen, daß die wirt­schaft­liche Not durch Nichtabhalten des Volks­festes nicht gemindert, sondern vielmehr noch vergrößert werden kann, indem dadurch einem Teil Existenz­berechtigter die Verdienst­möglich­keit genommen wird. Das Volks­fest der Jenaer Scharf­schützen findet wie all­jähr­lich statt, um Schau­stellern, Musikern, Spediteuren, Druckereien, Lebens­mittel­geschäf­ten, Arbeitern und vielen anderen die Mög­lichkeit zu geben, Geld zu verdienen.
    Volks­fest heißt nicht Geld zu verschwenden,
    sondern Arbeit zu spenden.
Nicht nur auswärtigen Gewerbe­treibende kommen in Frage; auch großer Teil orts­ansässiger Geschäfts­leute, Fleischer, Lebens­mittel­händler, Gast­wirte sind am Fest direkt beteiligt und haben zum Teil die Haup­teinnahmen des Volks­festes zu ver­zeichnen. Nicht zu vergessen ist, daß dadurch auch den städtischen Behörden, Wirtschaft­samt und Steuer­kasse einige Notpfennige zufließen. Die Jenaer Scharf­schützen haben mit der Reklame begonnen und haben vorgesehen, während des Festes auch der Aermsten zu gedenken. Sie haben vor, anläßlich ihres dies­jährigen 20jährigen Bestehens von einer größeren offiziellen Feier abzusehen und dafür eine Speisung armer Kinder vorzunehmen (man spricht von 200 Kindern), jedenfalls ein Zug, welcher den Jenaer Scharf­schützen hoch anzurechnen ist und ein Beweis, daß sie alles versuchen, im guten Einver­nehmen mit der Bevöl­kerung zu bleiben. Hoffentlich wird das Fest, durch gutes Wetter begünstigt, für die Veranstalter und Besucher zufriedenstellend, denn die Jenaer Scharf­schützen verstehen es, Volks­feste zu feiern.
6. August: Die "Jenaer Scharf­schützen" feiern vom 8. bis 16. August ihr Schüt­zen­fest, verbunden mit einem Volks­fest auf dem Gries. Bereits {jetzt} sind viele Schausteller und Karusselbesitzer mit ihren Wagen auf dem Gries angefahren und mit dem Aufbau ihrer Buden beschäftigt. Diese Leute haben in der jetzigen schweren Zeit hart um ihre Existenz zu ringen und man wird es ihnen gönnen, wenn sie in Jena Gelegeheit zum Verdienst haben. {/JZ/}
10. August: Die Jenaer Scharfschützen feiern.
Beginn des Schützen- und Volksfestes. Von dem Grundsatz ausgehend, daß Buße tun in Sack und Asche gerade in Zeiten schwerster wirt­schaft­licher Not nicht das Allheil­mittel darstellt, hat sich der Verein Jenaer Scharf­schützen e.V. entschlossen, sein dies­jähriges Schützen- und Volks­fest nicht unter den Tisch fallen zu lassen und dem Moloch Welt­wirt­schafts­krise zu opfern, sondern das Geld, das Not­ver­ord­nungen, Steuern usw. übrig­gelassen haben, rollen zu lassen. Es wurde schon seinerzeit bei der ersten Ankün­digung durch die Jenaer Scharf­schützen darauf hinge­wiesen, daß so­und­soviele Schau­steller, Hand­werker, Fuhr­unter­nehmer und andere Betei­ligte durch das Aus­fallen des Festes um den so not­wendigen Ver­dienst gekommen wären. Geholfen hätte eine Absage des Festes demnach niemandem, und wenn zudem noch morgen nach­mittag 200 arme Kinder gespeist werden, so wird jede Kritik ange­sichts einer solch nach­ahmens­werten Tat ver­stummen.
    Das Schützen- und Volksfest, das sich über die Tage vom 8. bis 18. August erstreckt, begann am Sonnabend abend mit dem Antreten der Scharf­schützen im "Goldenen Engel". Nach Ein­tritt der Dunkel­heit zogen die Schützen­brüder im schmucken Rock mit brennden Fackeln und unter den Klängen des Zapfen­streichs durch die Stadt hinunter zum Fest­platz auf dem Gries, wo das Fest seinen eigent­lichen Anfang nahm.
    Der frühe Sonntag nachmittag sah die Scharf­schützen wieder bei Hauptmann Bicking im Augu­stiner­bräu, wo man sich auf das Ein­holen des Königs, Gastwirt Fritz Kamprad vom "Engel", vorbe­reitete. Die Zeiten ändern sich, man fährt heutzu­tage mit Benzin­pferden, und so gelei­teten denn die Scharf­schützen ihren Schützen­könig im Auto­mobil im Umzug durch die Stadt zum Fest­platz, wo sich bald ein buntes Bild, ein echtes Volks­fest entwickelte. Und weil auch noch das Wetter gnädig zusah, so war die frohe Stim­mung bald all­gemein bei alt und jung einge­kehrt. Man hatte mit dem Alltags­kleid auch den gries­grämigen Men­schen darin ausge­zogen und war einmal wieder froh und jung.
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    Am Abend bot dann das Festzelt Gelegen­heit zu gemüt­lichem Beisam­mensein der Schützen­brüder. Echte Kamerad­schaft­lich­keit klang aus allen Reden, die die Vertreter der Schüt­zen­gesell­schaften von Lobeda, Bürgel und Apolda hielten. Die Thüringer Fröh­lich­keit kam auch hier wieder so recht zum Durch­bruch, und wie es bei der­arti­gen Anlässen zu gehen pflegt, trennte man sich nur sehr schwer. Aber das Fest ist ja noch nicht zu Ende, und die Schützen werden während der nächsten Tage noch des öfteren Gele­gen­heit nehmen, sich zu treffen.
    Heute früh hat das Schießen nach Vogel und Scheiben begonnen. Heute nach­mittag findet ein Gedächt­nis­schießen für die ver­stor­benen Kame­raden statt und daran anschlie­ßend gibt es fünf Minuten Schnell­feuer­schießen. Gegen abend heißt die Parole wieder: Treffpunkt Festzelt! Nach dem gelungenen Auftakt der beiden ersten Tage des Schützen­festes kann man wolh auch für den Rest der Veran­staltung eine günstige Prognose stellen. /JZ/
13. August: Das Schüt­zen­fest des Vereins der Jenaer Scharf­schützen hat bis jetzt einen guten Verlauf genommen. Es begann am Sonnabend mit dem Antreten der Scharf­schützen im "Goldenen Engel", von wo aus sie nach Eintritt der Dunkelheit mit brennenden Fackeln unter den Klängen der Kapelle zum Festplatz auf dem "Gries" zogen. Am Sonntag nachmittag trafen sich die Scharf­schützen bei ihrem Hauptmann Bicking im "Augustiner-Bräu", worauf sie ihren Schüt­zen­könig Fritz Kamprad vom "Goldenen Engel" abholten und im Umzug durch die Stadt zum Festplatz geleiteten. Am Sonntag früh begann das Vogel­schießen, dem sich am Nachmittag ein Gedächtnisschießen für die verstorbenen Kameraden und ein Schnell­feuer­schießen anschloß. Am Dienstag gab der Schüt­zen­könig seinen Schüt­zen­brüdern im "Engel" ein Frühstück. Am Nachmittag wurden 200 Kinder im "Engel" auf Kosten der Scharf­schützen gespeist. Später wurden sie nach dem "Gries" geleitet, wo ihnen freier Eintritt zu den Ver­an­stal­tungen gewährt wurde.
14. August: Das "Vogel­schießen" der Jenaer Scharf­schützen zog am Donnerstag abend eine gewaltige Menschen­menge nach dem Gries, wird doch an diesem Abend nach altem Herkommen des Feuer­werk abgebrannt. Die Würde des Schüt­zen­königs hat, wie wir hören, der Friseur Artur Riedel (Holzmarkt) errungen.
Gegen 9 Uhr gab es auf dem Festplatz eine Zwischenfall. Bei einer "Todesfahrt" auf der Steil­wand­bahn explo­dierte ein Motor­rad und setzte den Fuß­boden in Brand. Fahrer und Zuschauer konnten sich unver­sehrt retten. Die sehr schnell eintref­fende Feuer­wehr besei­tigte dann rasch jede Gefahr.
15. August: Auf dem Gries! "Schüt­zen­fest" Heute abend nochmals großes Brillant-Feuer­werk.
17. August: Das "Vogel­schießen" auf dem Gries ist am gestrigen Sonntag zu Ende gegangen. Die Schausteller brechen ihre Zelte ab und ziehen weiter. Der Festplatz hatte gestern noch einmal guten Besuch und der Verlauf der Schüt­zen­festwoche hat gezeigt, daß derartige Ver­an­stal­tungen immer noch großen Anklang bei der breiten Masse der Bevölkerung finden. Wenn auch kein glänzendes, so werden die Schausteller doch ein annehmbares Geschäft gemacht haben und auch die Scharf­schützen dürften nicht zu kurz gekommen sein.

Quellen: /JV/ - 1931, /JZ/ - 1931

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Jena, den 30. November 2014 -