26. Juli: | (Mo) Auf eine Einladung hatten sich heute in der 6. Nachmittagsstunde die hiesigen Schützengesellschaftsmitglieder und deren Frauen sowie eine Anzahl Freunde der Gilde auf dem freien Platz vor dem "Schießhaus" auf der Rasenmühle eingefunden, um dort der feierlichen Übergabe und Weihe der den Schützen zum 300jährigen Jubiläum unserer Universität von den Frauen derselben verehrten neuen gelbseidenen Fahne beizuwohnen. Frau Henriette Knupe, geb. Vater, hielt an den Vorstand der Gesellschaft eine recht sinnige Ansprache, welcher der Schützenmeister Kaufmann Chemnitius, in den freundlichsten Worten gegenredete. Frau Knupe überreichte darauf die Fahne nebst Schenkungsurkunde, welch' letztere nun von dem Secretär der Gesellschaft, Oberappellationsgerichtskanzlisten Höhn, verlesen wurde. Der Schützenmeister sprach jetzt im Namen der Gesellschaft den Frauen den wärmsten Dank aus und übergab das schöne Geschenk als bleibendes Eigentum dem Hauptmann, dem Färbermeister Kober, welcher in wenigen herzlichen Worten gleichfalls dankte. Hierauf folgte die Weihe der Fahne. Den Schluß des wirklich feierlichen Aktes, der gewiß jedem Anwesenden lange in der freudigsten Erinnerung fortleben wird, machte der von F. Lorber gedichtete Weihegesang: | ||
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Mel.: Sind wir vereint zur guten Stunde u.s.w. | |||
Das Banner weht in uns’rer Mitte
Von holder Frauen Hand verehrt; Achtung! – Richt't Euch! nach alter Sitte Sey ihm der Blick stets zugekehrt. Es sey uns stets ein Ehrenzeichen, Von uns mit heißem Wunsch erstrebt; Nur Würdigem soll es sich wiegen, So lang, die Schützengilde lebt. |
Zu Jena's großem Jubelfeste
Leucht' dieses Banner uns voran, So ehrend grüßend die Gäste, Die uns'rer Stadt sich freudig nah'n. Und zieh'n wir in geschloss'ner Reihe Vorbei an Johann Friedrich's Bild, Dann werd' ihm erst die rechte Weihe, Mit Stolz sey uns're Brust erfüllt. |
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Was Jena war und seine Gilde
Und was in alten Sagen lebt, Das seh'n wir auf dem Sinngebilde Symbolisch künstlerisch verwebt. Andeutend uns das Städtezeichen Und uns'rer Väter Kraft und Wehr, Was uns geblieben ist zu eigen, Die alte Treu', die alte Ehr'! |
Des Kleinods würdig uns zu zeigen,
Sey unser Streben, uns're Pflicht, Laßt, Schützen, uns die Hände reichen, Vergesset das Gelübde nicht. Und noch nach vielen späten Jahren Erschall', wenn uns're Enkel noch Sich um das Banner freudig scharen, Den Frauen, so wie jetzt, ein Hoch! |
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Nach einem mehrstündigen Zusammenseyn im Schießhaussaale, das von dem fröhlichen Scherze und der heitersten Laune gekrönt war, ging die Gesellschaft gegen Mitternacht auseinander. Zum Schlusse dieses kurzen Referates fügen wir zur Erklärung des Wappens der neuen Fahne noch folgende heraldische Bemerkungen aus der Schenkungsurkunde bei: | |||
Das Schild ist in vier Felder getheilt und enthält im ersten Feld rechts auf rothem Grunde einen Adler in natürlicher Farbe mit Krone, Scepter, Reichsapfel und Fahne und deutet das Vogelschießen als Hauptfest der Schützengilde an. Im zweiten Felde rechts, auf blauem Grunde die Zahl 1534 in Gold, umgeben mit einem silbernen Sternenkranz. Die Bedeutung dieses Feldes ist: die Zahl zeigt das Jahr des ersten Vogelschießens und somit die Gründung der Gesellschaft an, weswegen auch im Jahre 1834 die 300jährige Jubelfeier stattfand; der Sternenkranz und der blaue Grund deuten auf das lange Bestehen der Gesellschaft. Das ganze Feld enthält speciell die Stadtfarben: Gold, Weiß, Blau. Im dritten Feld links der Pulverthurm im weißen Feld deutet auf den ersten Schießstand der Gesellschaft, welcher im Stadtgraben vor diesem Thurme war. Das vierte Feld links enthält in grünem Grund allgemeine Schützenembleme. Auf diesem viergetheilten Schild liegt ein goldenes Herzschild mit blauer Weintraube, das Wappen der Stadt Jena, dessen Behörde die Schützengesellschaft laut Statuten einer besonderen Obhut unterstellt und empfohlen ist. Das Schild deckt eine Mauerkrone mit aufrecht stehendem, roth und weiß gestreiften Löwen, der in der linken Klaue ein silbernes Schild hält. Die Mauerkrone deuted an, daß dieses Wappen einer städtischen Korporation angehört. Der Löwe, als der der Landgrafschaft Thüringens, auf den thüringischen Schützenbund, der hier seine Gründung fand. Das silberne Schild, auf den Schmuck des Vogelkönigs oder dessen Geschenk, welches früher in einem silbernen Schilde bestand und Jena darin vor anderen Schützenhöfen auszeichnete. | |||
Die Inschrift der Fahne lautet:
„Der Schützengilde
zum 300jährigen Universitätsjubiläum gewidmet von den Frauen. Jena, den 15. August 1858” |
Quellen:
/BS/ - 31.07.1858
Melodiebeispiel:
[ 1858 ]
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Jena, den 13. Dezember 2006 -