Das Vogelschießen.
von F. A. K. Musäphilus
[Gedicht, Reim, Volksfest]

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Horch! welcher Ton durchwirbelt unsre Gassen?
Erscheint der Feind denn schon vor unsern Toren?
Ist's nicht genug an jener Krankheit Rasen,
Die unserm armen Leben droht?
Horch, auch Trompeten, Donner der Kanonen!
Aus ist es nun, denn der gefräß'ge Tod
Verschont uns nicht - glaubt mir, wir sind verloren
Mit samt der Stadt, die friedlich wir bewohnen!
Doch sollt' ich mich aus bloßer Furcht begraben?
Ich muß sie sehn die Feinde, die uns dräuen:
Ha! welch' Getümmel! - welche Töne laben
Mein lauschend Ohr von Ferne schon,
Und dort das Flattern kriegerischer Fahnen,
Der Büsche Wehn, der blanken Waffen Droh'n!
Ach das sind nicht todbring'nder Feinde Reihen,
Nicht Männer, die an Grab und Tod uns mahnen.
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Ein lauter Jubel schallt dem Zug entgegen
Vom Platze, den der Buden Kreis umschließt;
Und dort auf hoher Stange blickt verwegen
Der Feind herab und ruft zum Kampf;
Geduld, Du stolzer Adler, trotz der Höhe,
Wo Du geschützt Dich glaubst vor Pulverdampf,
Wirst Du besiegt, wenn Schütz' auf Schütze schießt;
Und wenn sich wirbelnd alle Trommeln regen,
Kanonen krachen - suchst Du Erdennähe.
Und lange höhnt der Feind die regen Streiter,
Er hält sich gut; ob ihm auch Kron' und Fahne,
Das Scepter und der ganze Schmuck der Kleider
Geraubt schon sind, die Hauptmacht steht;
Doch endlich sinkt auch sie und jener Krieger,
Der in der Mitte stolz als König geht,
Umwehet von der ruhmgekrönten Fahne,
Ist nun ein Jahr der königliche Sieger!
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O eitle Lust, vergängliches Vergnügen!
Wo seid ihr hin, ihr jubelvollen Tage?
Hier, wo die Balken und die Bretter liegen,
Erscholl Musik und froher Sang.
Tod ists und die Öde auf dem weiten Plane,
Nichts tönt als dumpf der Axt, des Hammers Klang!
Wohl Mancher sieht mit heimlich stiller Klage
Zurück, verwünscht die Zeit in seinem Wahne!
Doch Mancher auch sehnt schon auf's Neue wieder
Sich nach den erst entschwund'nen Jubeltagen,
Wo in dem Kreise froh beglückter Brüder
Er auch vergaß der Zeiten Druck;
Wo Stolz und Ehrgeiz nicht als Geisel standen,
Nur Brudersinn galt als der höchste Schmuck;
O arme Welt, bist wahrlich zu beklagen
Mit Deinen selbst erschaff'nen Eisenbanden.

Quelle: /EN/ - 30.08.1831

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Jena, den 17. Mai 2017 -