Schützenadler
Kalender der Schützengesellschaft Jena

Das Jahr 1490

7. Das große Jenaer Schützenfest im Jahre 1490.

 

1. - 8. Nov.:
(Mo-Mo)

1. Die Vorbereitungen.

Durch den glücklichen Zufall, daß die Rechnungen auf dem Rathause aufbewahrt sind, erfahren wir ziemlich ausführlich etwas über den Verlauf eines mittel­alter­lichen Schützen­festes in unserer Stadt.

Das Fest sollte auf der Landfeste, dem Schießplatze, abgehalten werden. Wochen vorher waren Arbeiter damit beschäftigt, einen großen Schießwall aufzu­werfen, die Schieß­stände zu errichten und eine Renn­bahn abzu­stecken und einzu­zäunen, mit allerlei bunten Farben die rohen Bretter anzu­streichen, Tannen­bäumchen rings­herum zu setzen und die Eingänge mit grünen Gewinden zu zieren.

Außerhalb der Schranken aber erstanden Kegel­bahnen, Würfel-, Andenken-, Kram- und Trink­buden. Zimmerleute schlugen eine Holzbrücke über die Lache, damit das Gedränge an der einen Stein­brücke nicht zu groß und gefährlich werde.

Nach den Aufzeichnungen in den Rechnungen zu schließen, scheinen die Arbeiter recht durstige Kehlen gehabt zu haben, oft kehrt der Satz wieder „8 Pfennig für ein Stübchen(W) Bier, den Zimmer­leuten geschenkt.”

2. Der Festzug am Allerheiligentage.

Aus Erfurt, Orlamünde, Kahla, Weimar trafen im Laufe des 1. November die Gäste ein, gegen 400 an der Zahl, herzlich begrüßt vom Landes­fürsten Friedrich dem Weisen und dem Rat der Stadt. Am anderen Tage bewegte sich ein statt­licher Festzug durch die Straßen der Stadt. Der Musik­kapelle schritt der Pritschen­meister(W) voran. Er trug ein gelb-blau-weißes Kleid, eine Narren­kappe mit Schel­len­klin­geln und schwang in der Hand eine Pritsche(W), deren Schlag mancher vorwitzige Gassen­junge zu fühlen bekam. Neben ihm hüpften nach dem Takte der Musik seine beiden Gehilfen, zwei bekannte Jenaer Tauge­nichtse, welche mit dem gleichen Gewand gekleidet, mit Klappern und Pfeifen einen Höllen­lärm vollführten. Hoch zu Roß ritt der Kurfürst mit den geladenen Gästen daher. Eine bunte stattliche Schar folgte nach, die Rats­herren, Zieler mit weißen Ziel­stäben, Knaben mit den soge­nannten Zweck­fahnen für gute Schützen, andere mit Schimpf­fahnen für schlechte Schützen, größere Jungen mit Truhen, in denen die Arm­brust­bolzen ge­sam­melt werden sollten, wieder andere mit Preis­bechern, Schalen und anderen Ehren­geschen­ken und zuletzt die Masse der Schützen, geteilt nach Rotten und geführt von einem Banner­träger, der das Zeichen der ehr­samen Gilde vorantrug.

So zogen sie durch die mit Fahnen und Ehren­pforten geschmückten Gassen hinüber zur Land­feste. Nach einer freund­lichen Begrüßungs­rede gaben die Schützen ihre Schuß­waffen zur Prüfung ab und wählten die nach altem Schieß­recht not­wen­digen Richter, die Neuner genannt. Während dieser stunden­langen Prüfungen entwickelte sich nun ein feucht­fröhliches Leben. Auf Kosten der Stadt wurden die Schützen bewirtet mit Wein, Bier, Obst, Kuchen, Butter und Käse.

3. Das Schießen.

Endlich konnte das Schießen beginnen. Die Fürsten eröff­neten es mit einigen Schüssen, während­dessen die Schützen in ihren zuge­teilten Schieß­ständen auf langen Bänken saßen. Danach schwirr­ten ununter­brochen Pfeile und Bolzen durch die Lüfte nach Scheibe und Vogel, stunden­lang dasselbe Bild, bis die ein­bre­chende Dunkel­heit der Lust ein Ende bereitete.

Auf dem Platze aber hatte sich in den Nach­mittags­stunden ein frohes Fest entwickelt. Die augen­blick­lich nicht betei­ligten Schützen maßen Kraft und Gewandt­heit in Wett­kämpfen, wie sie schon die Urahnen geübt hatten, im Stein­stoßen, Springen und Laufen. Das zuge­strömte Volk ver­gnügte sich in den Glücks­buden, den Schau- und Trink­zelten. Hier stand ein hoher Kletter­baum, an dem manch ein Knirps nach kurzer Strecke wieder heraub­rutschte, dort schlugen Mädchen mit ver­bun­denen Augen nach einem Topf, unter dem ein mun­teres Hähnlein sich ängst­lich benerkbar machte, auf einem erhöhten Tanz­platz führten Burschen und Mädchen Bauern­tänze auf, während in der Reit­bahn kräftige Jüng­linge auf unge­sattel­ten Pferden eine aufge­hängte Gans im vollsten Galopp zu erhaschen suchten.

So war alles eitel Lust und Freude. Und mancher Junge mag noch nachts von des Tages Freuden geträumt haben.

4. Die Preisverteilung.

So ging es Tag für Tag eine Woche lang. Endlich waren die besten Schützen gefunden. Im großen Schützen­zelt über­reichten ihnen der Kur­fürst und jungen Damen kostbare Preise und die Ehren­fahnen. Die schlech­testen Schützen schleppte der Pritschen­meister auf ein hohes Gerüst, das mitten auf dem Platz weit sichtbar errichtet war, legte sie dort über eine bunte Holzbank und bear­beitete sie unter dem Gelächter der Zuschauer mit seiner Holz­pritsche.

5. Die Abdankung des Festes.

Nach dem letzten Schuß war wieder großer Umzug, zuerst über den Platz und dann durch die Stadt. Auf dem Markte entließ der Kur­fürst die Schützen und wünschte ihnen eine gute Heim­fahrt.

Kurfürst Fried­rich aber und die Stadt Jena wurden weit gerühmt wegen ihrer Frei­gebig­keit und Gast­freund­schaft.


Quellen: /4c/, /JV/ - 1922

Anmerkung: (W) - Link zu Wikipedia.de

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Jena, den 16. Februar 2014 -