1. - 8. Nov.: |
1. Die Vorbereitungen. Durch den glücklichen Zufall, daß die Rechnungen auf dem Rathause aufbewahrt sind, erfahren wir ziemlich ausführlich etwas über den Verlauf eines mittelalterlichen Schützenfestes in unserer Stadt. Das Fest sollte auf der Landfeste, dem Schießplatze, abgehalten werden. Wochen vorher waren Arbeiter damit beschäftigt, einen großen Schießwall aufzuwerfen, die Schießstände zu errichten und eine Rennbahn abzustecken und einzuzäunen, mit allerlei bunten Farben die rohen Bretter anzustreichen, Tannenbäumchen ringsherum zu setzen und die Eingänge mit grünen Gewinden zu zieren. Außerhalb der Schranken aber erstanden Kegelbahnen, Würfel-, Andenken-, Kram- und Trinkbuden. Zimmerleute schlugen eine Holzbrücke über die Lache, damit das Gedränge an der einen Steinbrücke nicht zu groß und gefährlich werde. Nach den Aufzeichnungen in den Rechnungen zu schließen, scheinen die Arbeiter recht durstige Kehlen gehabt zu haben, oft kehrt der Satz wieder „8 Pfennig für ein Stübchen(W) Bier, den Zimmerleuten geschenkt.” 2. Der Festzug am Allerheiligentage. Aus Erfurt, Orlamünde, Kahla, Weimar trafen im Laufe des 1. November die Gäste ein, gegen 400 an der Zahl, herzlich begrüßt vom Landesfürsten Friedrich dem Weisen und dem Rat der Stadt. Am anderen Tage bewegte sich ein stattlicher Festzug durch die Straßen der Stadt. Der Musikkapelle schritt der Pritschenmeister(W) voran. Er trug ein gelb-blau-weißes Kleid, eine Narrenkappe mit Schellenklingeln und schwang in der Hand eine Pritsche(W), deren Schlag mancher vorwitzige Gassenjunge zu fühlen bekam. Neben ihm hüpften nach dem Takte der Musik seine beiden Gehilfen, zwei bekannte Jenaer Taugenichtse, welche mit dem gleichen Gewand gekleidet, mit Klappern und Pfeifen einen Höllenlärm vollführten. Hoch zu Roß ritt der Kurfürst mit den geladenen Gästen daher. Eine bunte stattliche Schar folgte nach, die Ratsherren, Zieler mit weißen Zielstäben, Knaben mit den sogenannten Zweckfahnen für gute Schützen, andere mit Schimpffahnen für schlechte Schützen, größere Jungen mit Truhen, in denen die Armbrustbolzen gesammelt werden sollten, wieder andere mit Preisbechern, Schalen und anderen Ehrengeschenken und zuletzt die Masse der Schützen, geteilt nach Rotten und geführt von einem Bannerträger, der das Zeichen der ehrsamen Gilde vorantrug. So zogen sie durch die mit Fahnen und Ehrenpforten geschmückten Gassen hinüber zur Landfeste. Nach einer freundlichen Begrüßungsrede gaben die Schützen ihre Schußwaffen zur Prüfung ab und wählten die nach altem Schießrecht notwendigen Richter, die Neuner genannt. Während dieser stundenlangen Prüfungen entwickelte sich nun ein feuchtfröhliches Leben. Auf Kosten der Stadt wurden die Schützen bewirtet mit Wein, Bier, Obst, Kuchen, Butter und Käse. 3. Das Schießen. Endlich konnte das Schießen beginnen. Die Fürsten eröffneten es mit einigen Schüssen, währenddessen die Schützen in ihren zugeteilten Schießständen auf langen Bänken saßen. Danach schwirrten ununterbrochen Pfeile und Bolzen durch die Lüfte nach Scheibe und Vogel, stundenlang dasselbe Bild, bis die einbrechende Dunkelheit der Lust ein Ende bereitete. Auf dem Platze aber hatte sich in den Nachmittagsstunden ein frohes Fest entwickelt. Die augenblicklich nicht beteiligten Schützen maßen Kraft und Gewandtheit in Wettkämpfen, wie sie schon die Urahnen geübt hatten, im Steinstoßen, Springen und Laufen. Das zugeströmte Volk vergnügte sich in den Glücksbuden, den Schau- und Trinkzelten. Hier stand ein hoher Kletterbaum, an dem manch ein Knirps nach kurzer Strecke wieder heraubrutschte, dort schlugen Mädchen mit verbundenen Augen nach einem Topf, unter dem ein munteres Hähnlein sich ängstlich benerkbar machte, auf einem erhöhten Tanzplatz führten Burschen und Mädchen Bauerntänze auf, während in der Reitbahn kräftige Jünglinge auf ungesattelten Pferden eine aufgehängte Gans im vollsten Galopp zu erhaschen suchten. So war alles eitel Lust und Freude. Und mancher Junge mag noch nachts von des Tages Freuden geträumt haben. 4. Die Preisverteilung. So ging es Tag für Tag eine Woche lang. Endlich waren die besten Schützen gefunden. Im großen Schützenzelt überreichten ihnen der Kurfürst und jungen Damen kostbare Preise und die Ehrenfahnen. Die schlechtesten Schützen schleppte der Pritschenmeister auf ein hohes Gerüst, das mitten auf dem Platz weit sichtbar errichtet war, legte sie dort über eine bunte Holzbank und bearbeitete sie unter dem Gelächter der Zuschauer mit seiner Holzpritsche. 5. Die Abdankung des Festes. Nach dem letzten Schuß war wieder großer Umzug, zuerst über den Platz und dann durch die Stadt. Auf dem Markte entließ der Kurfürst die Schützen und wünschte ihnen eine gute Heimfahrt. Kurfürst Friedrich aber und die Stadt Jena wurden weit gerühmt wegen ihrer Freigebigkeit und Gastfreundschaft. |
Quellen: /4c/, /JV/ - 1922
Anmerkung: (W) - Link zu Wikipedia.de
[ zurück ]
[ Inhalt ] |
Kritiken, Hinweise und Meinungen bitte per
eMail an den Autor
Jena, den 16. Februar 2014 -