Jena 15. Mai 1901.
Die Schützenbrücke ist frei! | ||
In Anwesenheit zahlreicher Mitglieder der Schützengesellschaft, des Großh. Bezirksdirektors Schmid, Oberbürgermeister Singer, 2. Bürgermeister Dr. Wagner, mehrerer Mitglieder des Jenaer Gemeinderates und Bürgermeisterstellvertreter Zipfel als Vertreter der Gemeindebehörden von Wenigenjena wurde heute Mittag 12½ Uhr die zur Feier des Tages mit bunten Fähnchen und Quirlanden festlich geschmückte Schützenbrücke der Stadtgemeinde Jena übereignet. Der Akt ging in dem mit grünen Zweigen dekorierten Zollhäuschen auf dem linken Ufer der Saale vor sich, wo die Herren, so gut der beschränkte Raum es zuließ, Aufstellung genommen hatten. Die Öffentlichkeit mußte unter diesen Umständen sich natürlich als ausgeschlossen betrachten und so hat kein profanes Auge die Zeremonie beobachtet, die sich in den "heiligen Hallen" des Zollhäuschens vollzog, oder die Schätze erblickt, die dort "aufgespeichert" gewesen sein mochten. Die Herren, die unter sothanen Umständen in der Mittagshitze dichtgedrängt im engen Raum ausharren mußten, waren selbstverständlich auch nicht zu beneiden. Was zu den Ohren unseres an der offenen, aber von Menschenleibern fürchterlich verbarrikadierten Thüre stehenden Berichterstatters drang, soll jedoch der Nachwelt überliefert werden. Nachdem im Namen der Schützengesellschaft Herr Hauptmann Kämmer einige – uns leider unverständlich gebliebene – der Bedeutung des Augenblicks angepaßte Worte gesprochen hatte, ließ sich die sonore Stimme unseres Stadtoberhauptes, des Herrn Oberbürgermeister Singer, wie folgt vernehmen: „Es ist mir eine ganz besondere Freude, heute meines Amtes zu walten in einer Angelegenheit, die in der That von großer Wichtigkeit für die Stadt Jena und den Vorort, unsere liebe Nachbargemeinde Wenigenjena ist.
Diesen Tag geschaffen zu haben ist das Verdienst der Schützengesellschaft, insbesondere das Verdienst von Männern, die wir heute das Glück haben unter uns zu sehen.
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Am 13. Februar
(1883)
wurde die Brücke unter dem Jubel eines Teils der Bevölkerung eingeweiht und die Entwicklung von Jena und Wenigenjena hat es – wie vorhin der Herr Schützenhauptmann schon ganz richtig hervorgehoben hat – möglich gemacht, daß nach nicht ganz 20 Jahren nicht nur die Brücke der Stadt schuldenfrei übergeben werden kann, sondern auch ein Fond von 20.000 Mk. vorhanden ist, aus dessen Mitteln die Stadt die Brücke zu unterhalten hat.
Soviel sich von Außen annehmen ließ, übergab im folgenden Augenblick Herr Oberbürgermeister Singer den Mammon Herrn Stadtschreiber Bergmann mit der Versicherung, daß der Schützengesellschaft die kassenmäßige Quittung über den Empfang demnächst zugehen werde. Nun entströmten die Herren der drangvoll-fürchterlichen Enge und begaben sich über die Brücke nach dem Schützenhaus, wo sie den programmgemäßen "Frühschoppen" intus nahmen. Die übrigen Festlichkeiten sind aus unserer gestrigen Notiz bekannt. |
Quelle: /JV/ - 15. + 16.05.1901
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Jena, den 13. Juni 2008 -