Schützenadler
Kalender der Schützengesellschaft Jena

Weiherede
zur Eröffnung der Schützenbrücke
gesprochen am 13. Februar 1882 von
Mühlenbaumeister Gruner

Sehr geehrte Versammlung! 

Vollendet steht nun das Bauwerk vor unseren Augen, wel­ches ein Verein von Mitgliedern der hiesigen Schützen­gesell­schaft gegründet hat.

Unsere Brücke ist heute festlich geschmückt, um von der geehrten Versammlung ihre Weihe zu empfangen.

Da geziemt es uns denn vor allen Dingen Gott zu danken, daß er sein Auge über den Arbeitern, welche bei der Auf­rich­tung der Brücke thätig waren, hat walten lassen und daß er seinen starken Arm ausgestreckt hat, um unseren Schützenhauptmann von der Macht des Stromes, die ihn bedrohte, zu erretten.

Im Namen des Bauvereins sage ich ferner unseren Dank den Großherzoglichen und den städtischen Behörden dafür, daß sie uns die Schwierig­keiten, welche sich der Ausführung des Unter­nehmens entgegen­stellten, haben hin­weg­räumen helfen.

Ihnen aber allen, welche unserer Einladung zu Folge hier erschienen sind, um an unserer Freude und Fest­ver­an­stal­tung Theil zu nehmen und ihre Wünsche mit den unsrigen zu vereinen, daß die Brücke bestehen und dem Wohle der Stadt für alle Zeiten dienen möge, rufe ich im Auftrage unseres Vereins ein herzliches Willkommen zu.

Wir glauben mit unserer Brücke ein echtes Werk des Frie­dens errichtet zu haben. Sie macht unsere Stadt unab­hängig von der Gewalt des Stromes, aber sie läßt ihm seine Freiheit, mag er still und sanft durch seine Ufer gleiten oder in Sturm und Wogen dahin brausen.

Ungehindert können die Flößer nach wie vor ihr Gewerbe betreiben. Und wenn des Morgens Frische oder die Küh­lung des Abends zum Gondeln einladet, wenn die Eisbahn die Jugendlust und Manneskraft zu fröhlichem Ergötzen ruft, da schaut unsere Brücke freundlich herab auf das heitere Leben und stört Niemand in seiner Freude.

Weiter, geehrte Versammlung, reicht unsere Brücke, indem sie die beiden Ufer des Stromes verbindet, den Nach­bar­ge­mein­den zu fried­lichem und freund­schaft­lichem Verkehre mit unserer Stadt die Hand. Sie erleich­tert ihnen die Teilnahme an den Vorzügen, welche das größere städtische Gemein­wesen aus­zeichnen, die Hilfe­leistung, wenn wir oder sie in Noth sind.

Allen Denen, welche von den benachbarten Ortschaften ihre Nahrung in der Stadt suchen oder ihre Bedürfnisse dort holen, kürzt sie den Weg und die Zeit ab. Stadt und Land sind auf einander angewiesen, sie sollen mit ein­an­der in recht leben­digen Verkehr treten, in Frieden und Freund­schaft leben und einander hilf­reich sein, dann be­fin­den sich Alle am wohl­sten.

Um den Arbeitern, welche in Jena Beschäftigung suchen, die Brücke nutzbarer zu machen, werden wir ihnen Preis­er­mäßi­gungen bewilligen.

Mit rechter Freude und ohne alle selbstsüchtige Regung erkennen wir, daß unsere Brücke das Mittel ist, das Woh­nungs­gebiet der Gemeinde Wenigen­jena zu erweitern. Der Wohlstand der Nachbargemeinden belebt und fördert auch die Erwerbsthätigkeit in unserer Stadt.

Schon jetzt wird das Bedürfnis als ein dringendes emp­fun­den, neue Anlagen, neue schattige Gänge, ein neues Para­dies für unsere Stadt zu eröffnen, wo unserer Mit­bürger nach harter Anstrengung, sei es des Kör­pers, sei es des Geistes, Erquickung und neue Kraft zur Arbeit suchen können.

Solche Anlagen sind kein Luxusbedürfnis, sie sind nament­lich für unsere an Schatten arme Stadt nothwendig, um ihre Bewohner an Körper und Geist gesund zu erhalten.

Für die Erweiterung des Paradieses erschließen aber die jen­sei­ti­gen, nun nicht mehr von uns ge­trenn­ten Wie­sen an­ge­sichts der Berge und des Flusses die schön­sten Hoff­nun­gen.

Endlich, geehrte Versammlung, will ich nicht unerwähnt lassen, daß die Brücke auch die Verbindung unserer Stadt mit dem Schieß- und Festplatz der Schützengesellschaft vermittelt.

Der Wunsch, eine solche Verbindung herzustellen, hat den Gedanken an die Erbauung der Brücke wohl veranlaßt, aber - es würde der Bau wohl ein frommer Wunsch ge­blie­ben sein, wenn unsere Brücke nicht zugleich einem höherem Interesse diente - die Liebe zu unserer Vater­stadt war die Seele, welche unseren Verein ins Leben rief.

Manche sind unter uns, welchen die Theilnahme an dem Unternehmen ein Opfer auferlegt hat, das sie für die Inte­res­sen der Schützen­gesell­schaft allein nicht gebracht haben würden. Die Liebe zu unserer Stadt hat den Kame­raden die Herzen und Hände geöffnet.

Es giebt im Leben keine höhere Freude als die Förderung der Wohlfahrt der sittlichen Gemeinschaften, denen wir angehören. Die selbstsüchtigen Interessen verengern die Brust, sie trennen und scheiden was zusammen gehört. Der Gemeinsinn aber macht das Herz weit und groß, er begei­stert zu edlen Thaten und macht die Menschen opfer­willig zu gemein­nützigen Werken.

Die gemeinsame Arbeit für die Wohlfahrt unserer Vater­stadt wird alle Gegen­sätze, welche die Bürger­schaft vorüber­gehend spalten, aus­söh­nen und, wie ich hoffe, alle, die mit ganzem Herzen der Stadt ange­hören, zu Werken des Frie­dens zusam­men­führen.

Aus eigener bürgerlicher Initiative, ohne behördliche Anre­gung haben wir den Brückenbau angefangen und voll­endet. In unserer aufstre­benden Stadt harrt noch manches Be­dürf­nis auf seine Befrie­digung. Nicht mit Unrecht werden die städtischen Behörden Bedenken tragen, überall aus öffentlichen Mitteln die erforderliche Abhilfe zu gewähren.

Möge das Beispiel unserer Brücke die Bürgerschaft ermu­tigen, immer weitere Kreise zu ähnlichem Stre­ben und Schaf­fen zu vereinigen.

Wir wünschen, daß die Brücke recht fleißig benutzt werde und es wird dann hoffentlich auch der Zeitpunkt nicht fern sein, wo wir das Eigenthum der Brücke unentgeltlich der Stadt überweisen können.

Inzwischen empfehlen wir unsere Brücke,

"die Schützenbrücke",

wie wir sie taufen und fortan nennen wollen, der Obhut der städtischen Behörden.

Die Liebe zu unserer Vaterstadt möge der Schutzgeist der Brücke sein. Diesem Wunsch lassen Sie uns Ausdruck geben, indem Sie mit mir in den Ruf einstimmen:

"Hoch lebe unsere Vaterstadt, hoch lebe Jena!"


Quelle: /JZ/ - 14.02.1882

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Jena, den 5. Februar 2006 -